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Leseprobe Zorn und Sühne A.Yale.pdf
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Prolog

 

Die beiden Männer saßen vor dem Kamin, jeder in einem roten Chintz Sessel, und starrten auf die Flammen, die knisternd die Briefe auffraßen, als hätten sie nur darauf gewartet, sämtliche Beweise der verbotenen Liebschaft zu zerstören. Die Lippen des Grauhaarigen deuteten ein Lächeln an. Es bereitete ihm ein Gefühl tiefer Zufriedenheit, das sich kräuselnde Papier zu betrachten, bis es von den züngelnden Flammen vollständig mitsamt all seiner vergifteten Worte verspeist wurde. Es wand sich vor Schmerzen, dachte er, als das Stück einer Ecke halb verkohlt herabfiel und zischend in den Holzscheiten verschwand.

  »Das hätten wir«, sagte er leise, nippte von seinem Brandy und warf dem weitaus jüngeren Mann einen triumphierenden Blick zu, bevor er den Kopf herumdrehte und zur Frau blickte, die ausdruckslos in der Ecke stand. Ihr Blick war ebenfalls auf die Flammen gerichtet, die sich in ihren dunkelbraunen Augen spiegelten. Zum ersten Mal, dachte er, sah sie wütend aus.

  »Hat er sich bei dir entschuldigt?«, fragte er sie. Sie blinzelte, als müsste sie erst in den Raum zurückfinden, in dem sie seit gut einer Stunde war.

  »Nein, hat er nicht.« Ihre Stimme klang wie Schmirgelpapier, das man zu heftig aneinander rieb.

Der jüngere Mann lachte heiser auf. »Ich werde mich auch nicht entschuldigen. Diese Ehe ist eine Farce gewesen.« Trotzig reckte er das Kinn zum Grauhaarigen. Dessen Augen verdunkelten sich im Schein der Flammen und wirkten nun wie schwarzes Öl.

  »Du bist kein guter Mann. Nein, das bist du wirklich nicht, warst du vielleicht nie und ich wollte es nicht bemerken. Aber was viel schwerer wiegt als dein Ehebruch ist der Diebstahl.« Seine Stimme klang bedrohlich ruhig.

  »Wo ist mein Geld?«

Die Frau räusperte sich. »Ich habe unser ganzes Haus auf den Kopf gestellt, Harry. Es ist nicht - «

Der Grauhaarige brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Sie senkte den Kopf.

  »Es wird nicht in eurem Haus sein, denn er hat es nicht für dich gestohlen, meine Liebe. Sondern für sie.«

  »Ich habe dir kein Geld gestohlen.«

Der Grauhaarige lachte schallend, was kurz darauf in ein bellendes Husten überging.

   »Das hast du. Auch wenn ich es nicht beweisen kann. Wir werden es finden. Wie werden sie finden.«

Der Jüngere lächelte auf eine siegessichere Art. Als wüsste er etwas, das niemand sonst im Raum wusste. Und vermutlich war es auch so.

   »Wir kennen doch nicht einmal ihren Namen«, meldete sich die Frau nun zu Wort und trat einen Schritt vor.

   »Der Mistkerl war schlau genug, sie nur mit Kosenamen anzureden. In unserer Telefonrechnung taucht keine unbekannte Nummer auf. Wenn ich ihm nachgefahren bin, hat er mich abgehängt. Sie könnte aus Newcastle sein, ebenso aus London. Wir wissen gar nichts und du hast alle Hinweise ins Feuer geworfen.«

   »Ich habe alle Hinweise, die ich brauche, um sie zu finden, meine Liebe«, sagte der Grauhaarige ruhig, bevor er seinen Blick zum jüngeren gleiten ließ, der nun ein Stück weiter nach unten in den Sessel rutschte, als wäre er der Unterhaltung überdrüssig. Die Augen flatterten, er hatte sichtlich Mühe, sie offenzuhalten. Beim Versuch sich aufzurichten, sank seine linke Hand wie ein Stein auf die Lehne zurück. Der Grauhaarige legte den Kopf schief und sah wieder zur Frau, die nun neben den Sessel getreten war, auf dem ihr Mann gegen die bleierne Müdigkeit kämpfte.  »Wie viel hast du in sein Glas getan?«

   »Genug, um ein Pferd auszuknocken.« Sie lächelte auf eine grimmige Art, dann spuckte sie auf das hellbraune Haar ihres Mannes. Wie in Zeitlupe drehte er seinen Kopf zu ihr, öffnete den Mund und sprach etwas Unverständliches. Ihr Lächeln wurde grimmiger. »Dachtest du, ich merke es nicht? Dachtest du, ich lasse mir das gefallen?«

Der Grauhaarige erhob sich leise stöhnend aus seinem Sessel und drückte ihr das leere Brandyglas in die Hand.       »Wir werden die Frau und das Geld finden.«

Sie nickte, und nun flackerte Angst in ihren Augen auf. »Was ist … ist mit mir, Harry? Ich war daran nicht beteiligt, ich wusste nicht … war immer treu und gehor – «.

Wieder brachte er sie mit einer Geste seiner Hand zum Schweigen. »Deine Stellung in der Gemeinschaft hat natürlich Schaden genommen, daran kann ich nichts schönreden. Als Ehefrau trägst du eine Verantwortung, der du nur teilweise nachgekommen bist.« Er bückte sich zu dem nun schlafenden jüngeren Mann und fühlte den Puls.        »Du kennst die Regeln. Du bist die einzige Angehörige und wirst Sühne leisten müssen. In welcher Form, wird der Rat entscheiden.«

   »Er hat eine Schwester!«, rief sie aus. »Soll sie doch für seine abscheuliche Tat büßen!« Ihre Stimme hatte einen schrillen Ton angenommen. Sie stellte das Glas auf eine Kommode und faltete die Hände vor ihrem Bauch.

  »Ich tue alles, um der Gemeinschaft weiterhin treu zu dienen, Harry. Alles!«